Ich bemerke schon seit langem, dass ich sehr stark im Verstand verhaftet bin, mich auf meiner Suche nach Erkenntnis täglich tiefer und tiefer in Ideen, Konzepte, Wahrnehmungen, Fragen, und Beurteilungen verstricke. Ich suche nach Antworten, will verstehen wie Ich funktioniere, wer oder was ich tatsächlich bin, will einen moralischen Leitfaden für mein Leben daraus entwickeln, der mir Erlösung verspricht, wobei ich nicht einmal weiß, was für eine Art von Erlösung das überhaupt sein könnte, ganz zu schweigen von der Frage was ich mit ihr anstellen würde, wenn ich sie jemals erreichen würde. Es ist wie eine Karotte, die vor mich gehalten wird und die sich mit jedem Schritt auf sie zu weiter von mir entfernt. All das kommt vom Verstand. Er hält mich gefangen. Sogar sehr.
Ich habe das Segeln aufgegeben, weil es mich zu sehr in die Gegenwart brachte, weg vom Verstand. Ich hatte keine Zeit zur Kontemplation. Andauernd gab es etwas zu tun. Und alle Taten erfolgen aus Gewohnheit. Meine Interkationen mit den Gästen auch aus Gewohnheit. Ich konnte meinen Gedanken und Erkenntnissen keinen Raum in Diskussionen geben. Ich hatte keine Freude an neuen Buchten und Ankerplätze, konnte sie nicht genießen, weil ich mir entweder Sorgen ums Wetter oder die Gäste machte. Und ich konnte mich nicht mit meinem inneren Prozess beschäftigen. Nichts ging voran. Es ging alles eher rückwärts. Ich verlor mehr und mehr den Kontakt zu mir selber. Oder war es der Kontakt zu meinem Ego? Nicht mal diesen Unterschied erkenne ich derzeit. Das schien früher anders gewesen zu sein. Damals war ich 100%-ig überzeugt, meine Seele gefunden zu haben und ihr zu folgen. Auf dem Boot war nur noch das Ego in Kontrolle. Ich hätte das gar nicht tun sollen. Aber wer oder was sagt mir das jetzt? Ist das wieder das Ego?
Ich fühle mich jetzt ohne Boot viel besser. Das Wohnmobil hat schon einen Wendel zum bessren Gebracht. Ich muss mich nicht mit langweiligen Gästen abgeben und auch das Wetter spielt keine Rolle mehr. Noch besser fühle ich mich bei C. Sie lässt mich tagsüber meist allein, sodass ich Schreiben kann, bis mir die Finger bluten oder mir der Kopf raucht. Und wenn ich mal zur Mithilfe im Haushalt oder Garten gebraucht werde, dann folge ich dem eher unwillig, weil es mich in meiner Kontemplation und beim Erfassen meiner Gedanken zum Schreiben unterbricht. So bin ich während der Mithilfe erfüllt von Unwillen und Unruhe und möchte alles möglichst schnell erledigen, um mich dann wieder mit mir selber beschäftigen zu können. Es ist wie eine Sucht. Und es ist immer der Verstand, der mich hier nicht los lässt und an der Stange hält.
Um aus dem ständigen Griff des Verstandes zu entkommen, wenigstens für kurze Zeit, wurde mir vorgeschlagen die wenigen Momente für spontane Aktivität zu nutzen, die nicht von Überlegungen und Gedanken geprägt sind. So ähnlich hatte ich es früher für einige Wochen gemacht. Und das war eine unglaublich lehrreiche Zeit. Ich würde so eine Phase wahnsinnig gern wieder durchleben, aber ich habe Angst davor mein derzeitiges Leben und die Ruhe hier bei C. dadurch zu zerstören, so wie die Ehe damals. Und vielleicht kann ich ja auch solche Erfahrungen wie damals gar nicht wieder hervor bringen, sodass der Versuch umsonst wäre. Hier versucht offenbar mein Ego gerade mich genau von einer Veränderung abzuhalten, vom Sprung ins alte Neue, so wie ich es oben gerade in einer Antwort im Forum formuliert habe.
Irgendwie erkenne ich offenbar die Winkelzüge meines Egos immer noch nicht. Die Frage „was treibt mich an“, die ist derzeit sehr präsent. Darauf suche ich verzweifelt eine Antwort, finde aber keine.
Nun ist der Vorschlag, den Verstand aus dem Spiel zu lassen, und authentisch, aus dem jeweiligen Moment heraus, zu handeln. Das fällt mir gerade sehr schwer, denn der Verstand (das Ego) hat mich offenbar so fest im Griff, dass ich einfach nicht loslassen.
Der Verstand ist aber auch nicht unbedingt immer etwas schlechtes. Es sollte nur in seinen Wirkungen und Auswirkungen beobachtet werden. Denn er kann auch dazu dienen eingefahrene Muster zu verändern. Das erfordert Arbeit und man muss natürlich wissen, welches Muster man ändern will. Und hierbei gerate ich in den Konflikt dass ich vermute, der Änderungswunsch könnte von außen kommen und gar nicht authentisch sein, sodass ich ihm nicht traue und mein Verhalten eben nicht ändere. Das könnte einerseits die Wahrheit sein, andererseits aber auch wieder ein Trick des Egos.
Wie reagiere ich darauf? Was ist meine Antwort, aus meinem derzeitigen Verständnis und jetzigen Moment heraus? Will ich etwas verändern, und wenn ja was und warum? Oder ist mir das alles viel zu unsicher, weil ich hinter dem Änderungswunsch eine ungewollte externe Kraft und Programmierung vermute? Was ist es, was ich JETZT in diesem Punkt entscheide? Wie stelle ich mich dazu? Was stört mich gerade in meinem Leben und wie ich es lebe? Welchen Impulsen möchte ich folgen? Welchen fühle mich machtlos ausgeliefert? Gibt es einen Grund, momentan Änderung zu suchen? Bin ich zufrieden mit mir selbst und der Welt insgesamt? Nein, das bin ich nicht und ich weiß auch warum. Es geht um die Zwänge der Gesellschaft, ein freies Leben in Selbstverantwortung, und die Selbsterkenntnis und Selbst-Verwirklichung, an der ich durch die bestehenden Strukturen massiv gehindert werde. Und warum ändere ich nichts daran und schreibe mir stattdessen nur die Finger wund?
Fragen über Fragen und wenig bis keine klaren Antworten.
- Ich erkenne, dass ich es akzeptiert und erlaubt habe die sich noch immer im Kreis drehenden bohrenden Fragen meines Verstandes als so wichtig zu erachten, dass sie derzeit meine ganze Aufmerksamkeit und Energie einfordern.
- Ich erkenne, dass ich es akzeptiert und erlaubt habe den Fragen nach dem was ich mich intern oder auch extern in meinen Entscheidungen leitet, eine große Bedeutung beizumessen, die nahezu alle anderen Belange und Anforderungen meiner Umwelt in den Hintergrund treten und als unwichtig erscheinen zu lassen.
- Ich erkenne, dass ich es akzeptiert und erlaubt habe meine gesamte Energie meinem inneren Erkenntnisprozess zu widmen und dieser vor allem durch die Selbstreflektion im Schreiben, sowie in einige Dialogen in Internetforen, voran kommt.
- Ich erkenne, dass ich es akzeptiert und erlaubt habe meine Entwicklung in den Vordergrund all meines Handelns zu stellen und dabei in offenbar in sehr egoistischer Weise nahezu meine gesamte Umwelt vernachlässige.
- Ich erkenne, dass ich es akzeptiert und erlaubt habe zu glauben, dass meine innere Entwicklung Vorrang vor allem anderen haben muss, da ich mich sonst nicht von meinen Prägungen lösen und eine moralisch akzeptable und authentische Verhaltensweise entwickeln kann.
- Ich erkenne, dass ich es akzeptiert und erlaubt habe diese innere Entwicklung als Vorwand für die Fortführung meiner Suche zu benutzen, anstatt schon jetzt vollkommen nach meinen moralischen Prinzipien zu leben, damit in die Eigenverantwortung zu gehen für das was ist und was ich geworden bin, und dadurch im Leben selber auf die Dinge zu stoßen, die ich nicht länger akzeptieren kann.
- Ich verpflichte mich, trotz aller Widerstände die ich spüre, meine innere Suche weiter fortzuführen.
- Ich verpflichte mich, meine Aufmerksamkeit auf meinen inneren Prozess zu richten, sowohl wenn ich allen bin und Schreibe, wie auch dann, wenn ich durch mein Umwelt in Aktivitäten gezogen werde.
- Ich verpflichte mich, meinen Verstand nicht zu verteufeln oder als Hindernis anzusehen, sondern ihn als einen zumindest derzeit integralen Bestandteil von mir zu betrachten.
- Ich verpflichte mich, mich trotz aller Unklarheit nicht aus der Ruhe bringen zu lassen, sondern Moment für Moment nach Bestem Wissen und Gewissen nach Klarheit und Wissen zu suchen und zwar auch dort, wo ich es vielleicht nicht vermute.