Vor einigen Jahren änderte sich meine interne Programmierung. Bis dahin war ich ein Abbild meiner Kultur und Erziehung. Aber dann setzte ohne mein Zutun eine völlig und mir bisher total unbekannte Programmierung ein.
Zunächst öffnete ich mich als Atheist und Wissenschaftler plötzlich für spirituelle Themen. Diese absorbierte ich dann einige Jahre äußerst intensiv. Ich erkannte dadurch meine bisherige Programmierung, stellte sie komplett in Frage, und nahm völlig andere Glaubenssystem an, die ab da mein Leben zu bestimmen begannen. Doch auch diese Glaubenssätze erkannte ich nach und nach als externe, wenn auch teils gewollte, Programmierung. Und nun wollte ich mich davon auch nicht länger beeinflussen lassen. Denn während mir meine ursprüngliche kulturelle Programmierung noch einigermaßen „normal“ erschien konnte ich bei den esoterischen Glaubenssätzen, die sich mir präsentierten, den Urheber und die Absicht hinter diesen Lehren nicht erkennen. Es erschien mir plötzlich alles sehr suspekt, sogar zum Teil als eine Art bewusster Irreführung, initiiert von Kräften die ich nicht verstand. Jedenfalls konnte ich mir nicht sicher sein, was diese neue Programmierung bei mir für Auswirkungen haben würde und mit welchem Ziel diese Lehren so vehement in New-Age Kreisen verbreitet wurden. Und wieso sprang ich darauf überhaupt an? Es wurde mir alles zu viel, da ich offenbar keinen verlässlichen inneren Kompass mehr besaß, der mich durchs Leben führen konnte. Wie sollte ich all diese Informationen bewerten? Welche Rolle spielen sie für mich? Ich wusste es einfach nicht. Und so wandte ich mich für einige Jahre bewusst von diesen Fragen ab und suchte mein Glück in mondänen Aktivitäten, wie dem Segeln, Reisen in ferne Länder, romantischen Beziehungen, Leben in spirituellen Gemeinschaften etc.
Aber das befriedigte mich genauso wenig, wie mein vorheriges Leben mit Familie in einem regulären 9-5 Job. Und so gab ich mein Vagabundendasein wieder auf und versuche nun, in der Einsamkeit etwas Klarheit zu gewinnen. Aber das ist nicht einfach, wenn man nahezu alles hinterfragt. Woran soll ich mich ausrichten? Am Ego, am Reichtum, an Müßiggang und Lust? An esoterischen Studien? An der Suche im Inneren? Das alles hatte irgendwie nichts gebracht und mich nur in die Konfusion geführt.
Alle Programmierungen hatten sich aufgelöst und es gelang mir nicht mir neue anzueignen. Denn wonach soll ich mich richten? Wo war eine akzeptable Wahrheit zu finden, an der ich mich ausrichten konnte? Was war überhaupt wahr? Wo ist der Sinn des Lebens und meine Lebensaufgabe verborgen? Gibt es sie überhaupt? Wenn ja, warum kann ich sie nicht entdecken? Warum zweifele ich alles an?
Es scheint mir so, als ginge ohne Programmierung das Leben nicht weiter. An irgend einer Idee muss ich mich ausrichten. Ich muss mich für etwas entscheiden, habe aber keine Basis oder Wissensgrundlage für eine solche Entscheidung und Neuausrichtung. Ich wüsste auch nicht, woher ich sie nehmen sollte. Denn ich habe sowohl meine westlich geprägten wie auch mein esoterisch geprägten Weltanschauungen über Bord geworfen und stehe nun ziellos und innerlich leer da. Ich weiß weder ob es einen Gott, eine Seele, ein höheres Selbst gibt, noch wie ich in Kontakt mit ihnen treten könnte. Und selbst wenn ich es könnte wäre ich mir nicht einmal sicher, ob ich „ihren“ Vorschlägen folgen würde. Denn solange ich diese Kräfte (Gott, meine Seele, mein höheres Selbst) als Nicht-Ich ansehe stellt sich die Frage, warum ich einem Nicht-Ich anstelle meines Ichs, wie auch immer ich es definiere und empfinde, folgen sollte.
Ich habe also offenbar ein Problem mit externen „Autoritäten“, ganz egal ob es die Gesellschaft mit all ihren Lehrern, Gesetzen, Regeln und Vorschriften ist, oder ob es um Erleuchtete Wesen, aufgestiegene Meister, Gott selber, oder gar mein eigenes höheres Selbst (welches ich auch als außerhalb von mir stehend empfinde) geht. Wem soll ich trauen? Was sind ihre Beweggründe, mich zu manipulieren? Bin ich nur ein Roboter, der Befehle von der Gesellschaft oder Erleuchteten Wesen empfängt und sie ausführen muss? Oder gibt es eine Kraft die aus mir selber kommt und mich leitet? Was bin ich eigentlich, wenn ich diese Fragen nicht einmal beantworten kann?
Ich weiß ich habe Gedanken. Doch sie alle kamen von woanders. Sie tauchten einfach auf (aus meinem Unterbewusstsein?), in Büchern, Gesprächen, etc. Manche davon schienen mir sinnvoll, andere nicht. Aber auf welcher Grundlage treffe ich überhaupt solche Entscheidung wie „sinnvoll“ und „nicht sinnvoll“. Diese Bewertungen können doch nur anhand eines Ziels ausgemacht werden. Wenn ich nach Rom will, dann sollte ich besser nach Süden gehen und nicht nach Norden. Süden wäre sinnvoll, Norden nicht. Denn im Norden liegt das Ziel nicht und wenn ich trotzdem nach Norden gehe, werde ich mein Ziel nicht erreichen. Aber vielleicht ist Rom für mich ja eh nicht mal sehenswert, auch wenn es das für andere ist. Soll ich also überhaupt nach Rom gehen, oder wäre vielleicht ein anderes Ziel besser? Wie soll ich überhaupt ein Ziel auswählen?
Wohin soll ich gehen, wenn ich kein Ziel habe? Welchem Gedanken soll ich folgen, wenn ich kein Ziel habe? Welchen Impulsen soll ich folgen, wenn ich kein Ziel habe? Welches Ziel soll ich mir setzen, wenn ich kein Ziel habe? Ist ein bestimmtes Ziel (Rom) mehr wert, als ein anderes? Woher kann ich das wissen, bevor ich am Ziel bin? Und wenn ich mich für ein Ziel entscheide, dann kann ich das andere nicht verfolgen und vielleicht niemals kennen lernen.
- Ich (an)erkenne, dass ich es akzeptiert und erlaubt habe, ziellos zu sein.
- Ich (an)erkenne, dass ich es akzeptiert und erlaubt habe, mir keine Ziele zu setzen, weil ich sobald ich ein Ziel verfolge, andere nicht verfolgen kann.
- Ich (an)erkenne, dass ich es akzeptiert und erlaubt habe frustriert darüber zu sein, nicht alles (alle Ziele im Leben) haben zu können.
- Ich (an)erkenne, dass ich es akzeptiert und erlaubt habe mich nicht entscheiden zu wollen für EIN Ziel.
- Ich (an)erkenne, dass ich es akzeptiert und erlaubt habe lieber gar kein Ziel zu verfolgen, als möglicherweise ein falsches Ziel.
- Ich (an)erkenne, dass ich es akzeptiert und erlaubt habe verschiedenste mögliche Lebensziele als sinnvoll oder nicht-sinnvoll zu bewerten, ohne sie überhaupt zu kennen. Denn wenn ich sie kennen würde, warum sollte ich sie überhaupt noch verfolgen? Ich kenne sie ja schon.
- Ich (an)erkenne, dass ich es akzeptiert und erlaubt habe, immer neue Ziele zu suchen, weil mir die alten nach einer Weile zu langweilig (weil bekannt) erschienen.
- Ich (an)erkenne, dass ich es akzeptiert und erlaubt habe ein ewig Suchender zu sein, der nie zum Ziel kommen kann, weil er nie mit dem Ziel zufrieden ist.
- Ich (an)erkenne, dass ich es akzeptiert und erlaubt habe, ein ewiger Wanderer zu bleiben, weil mir alles andere einfach nichts gibt.
- Ich verpflichte mich, keine Verpflichtungen einzugehen, weil ich sie eh nicht einhalten kann.
- Ich verpflichte mich, keine Verpflichtungen einzugehen, weil ich keinen Sinn darin erkennen kann eine Verpflichtung nur der Verpflichtung wegen aufrecht zu halten, selbst wenn ich drin keinen Sinn mehr erkennen kann.