Tag 59: Meine innere Spaltung ist eine Projektion auf die Gesellschaft

Von meiner Umwelt bekomme ich oft geiziges Verhalten vorgeworfen, vor allem derzeit in meiner Partnerschaft. Anscheinend kann ich es fremden gegenüber eher verdecken oder es kommt dort nicht zum Vorschein. In der Partnerschaft aber schon. Ebenso reflektiert mir meine Partnerin durch ihre Verhalten auch geiziges Verhalten zurück. Dieser Umstand wurde mir kürzlich stärker ins Bewusstsein gerückt und lies mich nicht mehr los. Bin ich wirklich so geizig wie manche es sagen und wie es mir in meiner Beziehung zurück reflektiert wird? Ich gebe zu, dass es den Anschein hat und vielleicht ist da auch mehr Wahrheit hinter verborgen, als ich mir momentan erlaube zu erkennen. Jedenfalls sträube ich mich sehr, bestimmte Zwangsabgaben leisten zu müssen, vor allem an den Staat. Dies war offenbar in meiner Familienhistorie schon vor einigen Jahrhunderten ein Problem, als einer meiner direkten Vorfahren im 17. Jahrhundert des Landes verwiesen wurde, weil er seine Steuern (damals ein paar Fuhren Mist) nicht zahlen wollte. Nun ja, offenbar steckt ich dem gleichen Denkmuster fest, wie mein Vorfahr von damals.

Ich kann es nun mal nicht einsehen, dass der Staat mich zwingt, bestimmte Dinge tun zu müssen und andere zu unterlassen. Dabei geht es nicht allein um das Zahlen von Steuern, sondern auch um eine Vielzahl von Vorschriften, die angeblich zur „öffentlich Ordnung“ oder „unserer Sicherheit“ beitragen. Zum Beispiel will es mir nicht in den Kopf, dass ich in meiner Wohnung zwar bis zur Besinnungslosigkeit Alkohol trinken, aber kein Marijuana rauchen darf. Oder dass ich mitten in der Nacht auf einer freien dreispurigen Autobahn (so passierte es einmal an heilig Abend um 23 Uhr), wo wirklich niemand unterwegs war, ich statt der erlaubten 100 km/h aber 130 km/h fuhr und dafür zahlen musste. Mit solchen Forderungen habe ich ein Problem. Denn in keinem Fall wurde irgend jemand geschädigt oder in seiner persönlichen Freiheit eingeschränkt, außer ich selber.

Ich möchte das nicht falsch verstanden wissen. Ich weiß, wozu Geschwindigkeitsbegrenzungen da sind. Sie sollen schwere Unfälle verhüten. Aber gleichzeitig nehmen sie uns auch die Verantwortung für umsichtiges Fahren ab. Wir verlassen uns auf die Schilder und wenn dann doch was passiert, sind wir fein raus, da wir ja die Regeln befolgt haben. Es gab dazu in einer deutschen Kleinstadt vor einigen Jahren ein interessantes Experiment. Dort wurden über einen Monat lang in den Sommerferien sämtliche (!) Verkehrsregeln außer Kraft gesetzt. Die Unfallrate sank in dieser Zeit um satte 90%, weil auf einmal alle aufpassen musste, wie die Schießhunde. Und der Verkehr floss reibungslos. Leider durfte das Projekt, trotz des Willens der Bürgern, nicht verlängert werden. Da fragt man sich, warum nicht?

Ich bin für weitgehendste Regelfreiheit. Aber dann auch dafür, dass wenn jemand Schaden anrichtet, er für diesen auch zu 100% verantwortlich ist. Das könnte soweit gehen, dass er beim ersten Autounfall bei dem jemand verletzt wurde, er je nach schwere der Verletzung einige Wochen oder Monate oder sogar nie mehr Auto fahren darf. In diesem Fall gäbe es einen Geschädigten und dann ist für die Widergutmachung des Schadens zu sorgen. Bei solch empfindlichen Strafen würden die Menschen sicher beim Fahren gut aufpassen, und nicht mehr vor dem Kindergarten in Zone 30 mal eben mit 80 durchrasen, um die Kinder noch rechtzeitig zur Schule bringen zu können.

Ich bin nicht mal sicher, ob eine zusätzliche Strafe überhaupt erforderlich wäre, weil diese genau das Problem nach sich zieht, welches wir schon haben. Es wird „vorsorglich“ ein Verbot eingeführt, sodass die Möglichkeit einen Schaden herbei führen zu können, verringert wird. Mit dem gleichen Argument werden Angriffskriege gegen andere Nationen begründet, denn „vorsorglich“ wird der Gegner platt gemacht, bevor er mich platt machen kann. Oder es wird der Gebrauch von Marijuana verboten, bevor derjenige zu schlimmeren Drogen greift und kriminell wird.

Das ist alles gut und schön in einer Gesellschaft von unverantwortlich handelnden Menschen, denen man keine Moral und Werte vermittelt hat, und deren unverantwortliches Verhalten durch solche Gesetze in gewissen Bahnen gehalten werden muss, um Ausuferungen zu verhindern. Und in eine solche Gesellschaft driften wir mehr und mehr ab, wobei die Regel- und Verbotsflut immer weiter wächst und jetzt schon so unüberschaubar groß geworden ist, dass man fast gar nichts mehr tun kann, ohne gegen eines dieser Verbote zu verstoßen.

Es muss aber die Möglichkeit für mündige Bürger, also solche die sich verantwortungsbewusst in ihrem Verhalten zeigen, geben, sich aus einem solchen System zu entfernen. Wieso sollen auch diejenigen, die sich selbstverantwortlich sich selber und ihren Mitmenschen gegenüber verhalten, mit solchen Vorschriften drangsaliert werden? Ich sehe das als ungerechtfertigten Eingriff in die persönliche Freiheit des Menschen. Und mit diesem Problem werde ich ständig konfrontiert, denn wohin ich mich auch wende, ich stoße sofort auf Regeln und Verbote. Selbst wenn ich mir ein Grundstück in der Pampa von Spanien kaufe, gibt es Dinge, die ich dort nicht tun darf, auch wenn der nächste Nachbar 2 km weit weg wohnt. Wieso ist das so? Wie gesagt, sobald ich hier irgendwelchen Mist baue, z.B. den Boden versaue (das darf nur die industrielle Landwirtschaft) oder die Umwelt verpeste (das darf auch nur die Industrie), muss ich gerechterweise für Schadenersatz sorgen (das braucht die Industrie nicht). Und der sollte auch nicht über eine Versicherung abwendbar sein. Ich bin für diesen Schaden ganz allein verantwortlich und muss dafür auch ganz allein gerade stehen.

Nun könnte man einwenden, dass ich für bestimmte von mir verursachte Schäden nicht einstehen kann, weil mir die Mittel und die Möglichkeiten fehlen, und deshalb die Allgemeinheit, z.B. über eine entsprechende Versicherung, dafür aufkommen muss. Wenn ich z.B. mit dem Auto fahre und mal nicht aufpasse, mir deswegen ein Schwerlaster ausweichen muss, über eine rote Ampel brettert und in ein Tankstelle hinein, die dann in die Luft fliegt und der benachbarte Kindergarten mit über 100 kleinen Kindern gleich mit, ja dann KANN ich den Schaden nicht wieder gut machen (eine Versicherung kann das allerdings auch nicht). Da muss man sich aber mal die Frage stellen, worauf der Fahrer dieses Schwertransporters sich gerade verlassen hat (die grüne Ampel vielleicht), sodass er mich nicht gesehen hat. Und warum eine Tankstelle an so einer unübersehbaren Stelle gebaut wurde mit einem Kindergarten neben dran. Das ist alles nicht meine Schuld, sondern es ist eine Kettenreaktion, ausgelöst durch unverantwortliches Handeln an anderer Stelle. Dafür kann ich nicht gerade stehen. Vielleicht fahre ich auch gar kein Auto mehr, denn wenn ich mir die Sache richtig überlege, dann kann ich die möglichen Folgen nicht verantworten. Doch was macht dann die Autoindustrie? Der Punkt auf den ich hinaus will ist der, dass viele Regeln die Industrie mit ihren Produkten schützen, damit diese Produkte und die Schäden die sie verursachen „können“, nicht als solche erkannt, oder auf den Verursacher zurück geführt werden können. So wird dem unverantwortlichen Handeln der Menschen weiter Vorschub geleistet. Es ist ja auch so schön bequem, durch die Gegend zu rasen, sich ungesund zu ernähren, oder keine Vorsorge fürs Alter zu treffen, und sich dann auf die Haftpflicht-, Kranken- und Rentenversicherung zu verlassen. Die machen das schon. Und wenn sie es nicht tun, und die Beträge in die Höhe schnellen während die Leistungen in den Keller gehen, dann wird gemotzt und gewettert was das Zeug hält. Aber Eigenverantwortung übernehmen für das eigene Leben? Nein Danke! Fehlanzeige.

Es ist für mich völlig in Ordnung, wenn eine Gesellschaft wie die unsrige, sich für solche Regelwerke, innerhalb derer der Einzelne keine Verantwortung mehr trägt und unverantwortliches Handeln die Regel geworden ist, entschließt, weil es auf der anderen Seite gewisse Vorteile mit sich bringt (wie das Auto fahren, Industriefutter essen zu dürfen, und den Körper bis ins Alter so runter zu wirtschaften, dass er nicht krank und arbeitsunfähig wird). Aber was ist mit Leuten wie mir, die da nicht mitmachen wollen? Ich verzichte gern auf ein Auto, wenn man mir wenigstens erlauben würde, auf einem Stück Land (es muss nicht mal mein Eigentum sein) für mich sorgen zu dürfen. Aber auch das ist nicht erlaubt. Ich darf nicht austreten aus dem Verein „Deutschland“ mit all seinen Pflichten, und werde gezwungen Regeln zu befolgen, zu denen ich mich nie bekannt habe, nur weil ich zufällig auf Grund und Boden geboren wurde, den jemand anderes (wer war das eigentlich) als „Deutschland“ bezeichnet hat, wofür ihm „natürlich“ jedwede Legimitation fehlte. Denn wer könnte einfach behaupten, dieser Boden gehöre fortan ihm und hieße Deutschland? Dazu kann niemand berechtigt gewesen sein, und doch ist es irgendwann mal genauso passiert. Und seither ist es für uns eine Gewohnheit geworden, in solchen Begriffen wir „Nation“ oder „Staat“ zu denken. Aber sie existieren nur auf dem Papier.

Der Einzige der ein Anrecht auf Grund und Boden hat, ist der Mensch, der ihn bearbeitet, um damit seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Und er darf dafür nur soviel benutzen wie er benötigt, sodass auch andere die gleiche Möglichkeit haben. Aber dieses System ist schon lange aufgrund der Habgier Einzelner völlig aus den Fugen geraten, sodass das Land heute wenigen Leuten gehört und andere gar nichts haben. Das ist ungerecht. Und es ist unmenschlich. Daraus resultieren viele, wenn nicht alle, unserer heutigen Probleme.

Nun, eigentlich wollte ich den Punkt „Geiz“ ausarbeiten. Was hat das Ganze mit „Geiz“ zu tun? Vielleicht gar nichts. Offenbar war „Geiz“ nur der Aufhänger. Ich möchte nämlich ein solches unverantwortliches System nicht weiter unterstützen. Ich möchte auch weder ein Rad in einem solchen System sein und es mit meiner Arbeitskraft am Leben halten müssen, noch möchte ich größere auch nur kleine Teile meines Einkommens, also der abzuführenden Steuer, für die Aufrechterhaltung dieses Systems bereit stellen. Denn dieses System zerstört unsere ganze Welt. Die Arten sterben wie die Fliegen, die Umwelt wird niedergebrannt (Amazonas, Australien) und vergiftet, und der Mensch in einem Tätigkeitstaumel gehalten durch (TV, Parties, Arbeit), sodass er davon wenig mitbekommt. Und wenn er es mitbekommt, dann findet er keinen Ausweg, so wie ich hier, und verzweifelt fast an der Unlösbarkeit dieser Aufgabe.

Diesem System weiter zu dienen fühlt sich wie Selbstmord für mich an, wie kollektiver Selbstmord. Es kommt mir vor wie in einem brennenden Haus zu sitzen und weiter Öl ins Feuer zu gießen. Weltweiter kollektiver Selbstmord ist die Folge. Und niemand unternimmt etwas dagegen. Fast niemand.

Ich möchte wieder die volle Verantwortung für mein Leben übernehmen. Ich will und werde kein Öl mehr ins Feuer der globalen Zerstörung gießen. Ich werde neue Wege suchen und finden, um außerhalb des System zu überleben und vom System in Ruhe gelassen zu werden. Es ist schlimm genug, dass ich mit ansehen muss wie auch meine Umwelt durch das System und all diejenigen, die dort mitspielen, ruiniert wird, und mir damit auch meine Lebensgrundlage mehr und mehr entzogen wird. Wen kann ich dafür verantwortlich machen? Euch alle. Ihr seid alle mit dafür verantwortlich, daran teilzunehmen und nichts dagegen zu unternehmen.

Aber es seid nicht nur ihr voll verantwortlich, ich bin es auch. Denn noch nehme ich Teil an dem ganzen Irrsinn, wenn auch weniger als die Meisten (ich habe meinen gut bezahlten unkündbaren Job freiwillig vor 7 Jahren aufgegeben, bezog nie staatliche Unterstützung, habe meine Krankenversicherung gekündigt, und zahle keine Steuern). Aber ganz ohne das System kann ich derzeit noch nicht überleben. Und das wissen die, die das System erhalten. Sie lassen niemandem eine Möglichkeit, auszutreten und verhindern dies durch Zwang. Sie bauen keine Alternativen auf oder unterstützen dabei. Denn wenn sie es nicht täten, würden sicherlich noch viel mehr Menschen austreten und das System würde sehr schnell zusammen brechen. Dann wären alle geliefert die es nicht geschafft haben sich eine Existenz in eigener Verantwortung aufzubauen. Und dazu zählen mehr als 99% der Menschen in westlichen Industrienationen. Wer von uns kann denn noch von seinem Grundstück leben, so wie es meine Großeltern noch konnten? So gut wie niemand. Ich kennen keinen einzigen. Selbst viele Farmer können das nicht mehr. Nicht weil sie es nicht könnten, sondern weil sie es nicht dürfen. Die Meisten anderen könnten es nicht, auch wenn sie wollten. Denn sie wissen nicht wie man Nahrung produziert und den Boden dauerhaft fruchtbar erhält.

Wenn ich mir diese armen Menschen in den Ämtern auf den Behörden anschaue, dann scheint dort auch niemand so wirklich Spaß am Job zu haben oder ihn aus Überzeugung zu tun. Manchmal kommt ein gequältes Lächeln rüber, aber ich sehe oft, dass diese Menschen dort nur sitzen, weil sie keine andere Chance haben oder zu haben glauben. Mir ging es damals im Job ähnlich, aber ich habe es geschafft, mich davon zu lösen und dann können es andere sicher auch. Aber es ist ein harter Weg, raus aus dem System und was Neues aufzubauen. Denn nun muss man alles alleine schaffen, sich nun alleine verantworten, sich selber um alles kümmern, und allein neue Wege finden. Ja, es gibt andere Menschen, die genauso denken und es ebenso versuchen. Aber noch sind es wenige, weit verstreut, und oft behindern zwischenmenschliche Probleme noch eine effektive Zusammenarbeit. Aber das ist egal. Dieser Weg ist für mich trotzdem der einzig sinnvolle. Ich gehe ihn aus voller Überzeugung und werde alle meine Resourcen (Arbeitskraft, Lebenszeit, und finanzielle Reserven) dafür einsetzten.

Bin ich also geizig, wenn ich versuche möglichst sparsam mit meinem Geld umzugehen? Bin ich geizig, wenn ich keinen Job annehmen möchte, um hohe Gebühren für Strom, Wasser, GEZ, zu zahlen? Bin ich geizig, wenn ich mir ein Stück Land kaufen möchte, um dort in Eigenverantwortung autark zu leben? Bin ich geizig, wenn ich dafür keine Steuern zahlen möchte, die dazu dienen die Erde weiter zu zerstören?

Ja ich bin geizig. Ich zahle nicht in Sozialkassen ein (ich nehme auch keine ihrer Leistungen in Anspruch) und damit kommt für alle, die sich auf das System verlassen, seien es Politiker, Bürokraten, Rentner oder Arbeitslose, im Endeffekt weniger heraus. Aber all diese Leute leben nicht eigenverantwortlich, sondern auf Kosten anderer. Und dafür sind sie selber verantwortlich.

  • Ich (an)erkenne, dass ich es akzeptiert und erlaubt habe, den Staat und alle Menschen die ihn unterstützen, anzuklagen.
  • Ich (an)erkenne, dass ich es akzeptiert und erlaubt habe, durch diese Anklage eine Projektion vorzunehmen, sodass ich andere für das-was-ist beschuldigen und mich davon frei sprechen kann.
  • Ich (an)erkenne, dass ich es akzeptiert und erlaubt habe, durch meine Anklage eine Spaltung zwischen mir und der Gesellschaft vorzunehmen, in der ich mich als “gut” und die Gesellschaft als “böse” ansehe.
  • Ich (an)erkenne, dass ich es akzeptiert und erlaubt habe, durch eine solche Spaltung das Problem nicht zu beseitigen, sondern die Spaltung noch zu vertiefen.
  • Ich verpflichte mich, in jeder Anklage meine eigene Projektion zu erkennen und zu akzeptieren, dass jede dieser Anklagen auch eine Anklage an mich selber ist.
  • Ich verpflichte mich, die Spaltung durch meine Anklagen und Projektionen hervorgerufenen Spaltungen in mir selber aufzulösen, weil ich erkenne, dass die “bösen anderen” nur existieren, weil ich mich ihnen als “der gute” gegenüberstelle.
  • Ich verpflichte mich, andere nicht mehr anzuklagen, sondern sie genauso wie mich als Teil der Lösung zu sehen, und nicht mehr als Problem, welches zu weiter Spaltung führt und das Problem nur noch verschärft.

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